Kolumne von Dani Hafner „Grenchen ist erwacht!“

Grenchen ist erwacht! Zumindest seine Pflanzen in den Gärten und Parzellen. Dazu mutierte der Jura vom dunklen Blau in ein sanftes Grün, bildet eine wunderbare Kulisse zur Farbenpracht. Ich fahre mit dem Velo zu den Tennisplätzen des TC Grenchen, eine der schönsten Anlagen in seiner Art weit und breit. Die Welt ist in Ordnung, ich fühle mich wohl. 

Ich schätze Solothurns Altstadt, den Bieler See, Basels Kulturangebot und Zürichs internationales Flair. Aber in den mittlerweile 26 Jahren in denen ich in Grenchen lebe, sind mir der herbe Charme des Zentrums, die Italianità auf dem Wochenmarkt, oder das Ferien-Feeling im Günes Supermarkt ans Herz gewachsen. Authentisch und ungekünstelt – Grenchen lebt und zwar in seiner Vielfalt. Junge Menschen aus vielen Nationen haben hier ein Daheim gefunden, legen in unseren Schulen den Grundstein für Ihre Entwicklung zum Detailhandelsangestellten, zum Pflegefachmann, zur Lehrerin oder Ingenieurin. 35% der BewohnerInnen haben einen ausländischen Pass. Grenchen leistet seit der Industrialisierung vor rund 100 Jahren im Kanton einen wichtigen Beitrag für die Integration von Migrantinnen und Migranten. Darauf bin ich stolz. 

Vielleicht ist dieses Bewusstsein der Grund, warum bei mir der SRF-Dok „die schweigende Mehrheit“ eine etwas andere Reaktion ausgelöst hat als bei vielen Grenchnerinnen und Grenchner. Natürlich habe ich mich fremdgeschämt für diverse Aussagen. Allerdings war offensichtlich, dass die Filmemacherin sogenannten „Thesenjournalismus“ betrieb. Sie wollte die zunehmend grassierende politische Lethargie der Menschen in unserem Land zeigen, suchte und fand dazu die passenden Stimmen. Kontroverse Äusserungen liess sie nicht zu. 

Aus meiner Sicht ist der Film – trotz spannender Thematik – höchstens grandios mit seinem Anliegen gescheitert. Die Behörde zeigte sich entsetzt, der Stadtpräsident hat reagiert. Mit Schreiben und Telefonaten an SRF, was wiederum Medienecho ausgelöst und dem Dok-Film eine Aufmerksamkeit beschieden hat, die er so nicht verdient. Ein gesundes Wertgefühl in der Bevölkerung über die Vorzüge unserer Stadt hätte kaum zu einer solchen Reaktion geführt. Nicht zum erstem Mal vermisse ich eine gewisse Souveränität im Umgang mit Kritik von aussen. 

Als Gemeinderat und Mitglied der SP habe ich folgende Haltung: Alle die sich über den Dok-Film so aufgeregt haben, sollten sich die Frage stellen, wie häufig sie sich an Wahlen, Abstimmungen und Gemeindeversammlungen beteiligen. Ob und wie sie sich regelmässig über politische und gesellschaftliche Themen in dieser Stadt informieren. Eine funktionierende Demokratie ist auf initiative, aktive Menschen angewiesen. Die politische Beteiligung in Grenchen ist seit Jahren klar unterdurchschnittlich. Das ist bedenklich und nervt mich. Aber jetzt hoffe ich auf steigende politische Aktivitäten, damit niemand mehr nach Grenchen kommt, wenn er auf der Suche nach „abgelöschten“ Menschen ist. Eben – Grenchen ist erwacht! 

Dani Hafner, Gemeinderat SP, 1. Mai 2018

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